Kaum zu glauben: Nun gibt es uns schon fast 10 Jahre. Haben sie sich gelohnt?

Wie wollten und wollen wir wirken? Und wie wirken wir tatsächlich?

 

Wie wir als Verein wirken wollen

Tierwohl zu verbessern ist wichtig, aber nicht einfach, und mit praktischen Problemen verbunden. Solche Probleme lassen sich nur lösen, wenn sie erkannt und benannt werden. Dazu bedarf es einer selbstkritischen Haltung, offener Kommunikation, und einer lösungsorientierten Fehlerkultur.

Unser gemeinnütziger Verein Pro-Test Deutschland e.V. setzt sich seit fast 10 Jahren dafür ein, redlich und transparent über all jene Graustufen zu sprechen, die mit der Nutzung von Tieren in der Forschung einhergehen. So werden Expert:innen aller Karrierephasen öffentlich sichtbar und hinterfragbar gemacht, aber auch kritische Impulse zurück in die Fachgemeinschaft getragen und konkrete Verbesserungsmöglichkeiten angemahnt. Damit haben die Ehrenamtlichen des Vereins zu einem differenzierteren Bild von Tierversuchen in der Öffentlichkeit beigetragen, realistischere Erwartungen an Wissenschaft geweckt und spezifischere Kritik an Forschenden und ihrer Forschung ermöglicht. Gleichzeitig haben sie fachinterne Diskurse nachhaltig beeinflusst und (gemeinsam mit anderen) dazu beigetragen, Fehler und Verbesserungsbedarfe in den Mittelpunkt zu rücken. Dies schlägt sich auch in den Agenden nationaler und internationaler Fachtagungen nieder. Solche Beiträge, und der ihn begleitende Kulturwandel insbesondere junger Forschender, ist von großer Bedeutung für das Wohl von Versuchstieren. Und darauf sind wir schon ein bisschen stolz.

 

Die Ausgangslage

Es gibt viele gute Ansätze zum Schutz von Versuchstieren, und sie werden erfreulicherweise immer stärker gefördert. Solche Innovationen haben oft Leuchtturmcharakter und damit das Potential, weit über das Ursprungslabor hinaus zum Ersatz von Tierversuchen (Replacement), zur Verringerung der Tierzahlen (Reduction) oder zur Verbesserung von Haltungs- und Versuchsbedingungen (Refinement) beizutragen. Sie können ihr Potential aber nur entfalten, wenn sie auch wirklich in der Breite der Forschung genutzt werden.

Bis vor wenigen Jahren war die öffentliche Debatte so stark polarisiert, dass jegliche Befürwortung von Tierversuchen als Ablehnung des Tierschutzes galt, und jegliche Kritik an Tierversuchen als Forschungsfeindlichkeit. Noch heute ist auch bei Fachtagungen gelegentlich spürbar, dass die 3R als Gegensätze empfunden werden, statt als komplementäre Beiträge zum Tierwohl. Doch Tabus hemmen den innerwissenschaftlichen Austausch und schaden unseren Versuchstieren.

 

Unser Verein und seine Mitglieder

Pro-Test Deutschland e.V. wurde im Juni 2015 von einem Dutzend nationaler und internationaler meist junger Forschender in Tübingen gegründet. Zweck des als gemeinnützig anerkannten Vereins ist die Förderung von Wissenschaft und Forschung (Registernr. 721868, Amtsgericht Stuttgart). In ihm engagieren sich Tierpfleger:innen, Studierende, Forschende und Tierärzt:innen, die einen persönlichen Bezug zu Versuchstieren haben, zu einer offenen und redlichen Debatte beitragen, aber auch Forschende stärker für Möglichkeiten des Tierschutzes sensibilisieren wollen. Inzwischen ist er auf fast 100 Mitglieder in vielen deutschen Städten angewachsen.*

Der Verein hat keinerlei Angestellte und finanziert sich ausschließlich aus privaten Kleinspenden, Mitgliedsbeiträgen, sowie Teilnahmegebühren gelegentlich angebotener Kommunikationskurse. Mit einem Jahresbudget im niedrigen vierstelligen Bereich beruht die Vereinsarbeit wesentlich auf dem persönlichen Einsatz seiner Mitglieder. Dass seine Arbeit dennoch seit fast 10 Jahren unvermindert aufrechterhalten werden konnte, ist umso bemerkenswerter.

Leitbild des Vereins ist, dass sich Ehrenamtliche gegenseitig dabei unterstützen, ihre individuelle Perspektive offenzulegen und sowohl öffentlich als auch im persönlichen Umfeld zu wirken. Der Verein vertritt keine geschlossene Meinung, teilt jedoch eine Grundhaltung („Wir müssen reden.“). Hinter dem Engagement der teils jungen Ehrenamtlichen steht ihre bewusste Entscheidung, hier und jetzt gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, anstatt sie (angesichts wissenschaftlicher Zeitverträge, Publikationsdruck und anderer Negativanreize) auf später zu verschieben. Leider haben einige der Ehrenamtlichen aufgrund ihres Engagements bereits persönliche Anfeindungen erlebt, die von Beschimpfungen auf der Straße bis hin zum Verlust der Wohnung reichen. Doch solche Fälle bleiben die Ausnahme, und der Verein ermutigt auch Nichtmitglieder nachdrücklich dazu, sich aktiv und streitbar in Tierschutzdebatten einzubringen.

* Stand am 04.12.2024: 86 Mitglieder inkl. laufender Beitritte, mit Lebensmittelpunkt in ca. 10 verschiedenen Regionen wie Berlin, Heidelberg, Köln, Leipzig, München, Oldenburg, Tübingen, usw.

 

Arbeitsschwerpunkte und Wirkungen

Um echte und vermeintliche Gegensätze abzubauen, melden sich Vereinsmitglieder immer wieder medial zu Wort (per zdf.neo, YouTube, funk, ZEIT, usw.) und erreichen damit teils mehrere mehrere hunderttausend Interessierte je Beitrag. So wirken sie nicht nur auf die von einer kritischen Öffentlichkeit an die Forschung gerichteten Erwartungen, sondern werden auch für fachwissenschaftliche Studierende (und Auszubildende z.B. in Tierhaltungen) frühzeitig sichtbar.

Zudem organisiert der Verein öffentliche Veranstaltungen einschließlich fachlicher Fortbildungen. So bietet die Reihe „Unsuck Your Science“ öffentliche, kostenfreie Online-Events mit je ca. 500 Teilnehmenden – mehr als die meisten hauptberuflich organisierten 3R-Fortbildungen. Sie wird überwiegend von Forschenden in frühen Karrierephasen (Masterstudierende bis Postdocs) besucht, die sonst oft nur die Arbeitskultur ihrer jeweils eigenen Einrichtung kennenlernen würden. „Unsuck“ klärt über Verbesserungsmöglichkeiten auf, die im eigenen Arbeitsalltag niederschwellig eingeführt werden können – von Statistikmethoden bis Organ Sharing (Unsuck Your Science 2021: towards a culture of care). Die Events diskutieren aber auch kritisch die vorhandenen kulturellen Hürden im Forschungsbetrieb (Unsuck Your Science 2024: mistakes were made).

Um öffentlich zur Deeskalation der Debatte beizutragen und Vorurteile abzubauen, pflegen Ehrenamtliche des Vereins aber auch den persönlichen Austausch mit organisierten Tierversuchsgegner:innen. Auf Social Media ebenso wie am Rand von „Mahnwachen“ und anderen Demonstrationen suchen sie das Gespräch, um anwesende Wissenschaftler:innen und Gegner:innen auf alternative Perspektiven neugierig zu machen und Lust auf respektvollen Streit zu wecken.

Auch abseits der Öffentlichkeit engagiert sich der Verein für den Austausch aller an Tierversuchen beteiligter Personengruppen, von Tierpflegenden und Studierenden bis hin zu Leitungen und Pressestellen. Dafür haben Vereinsmitglieder seit 2017 Kommunikationsworkshops entwickelt, in denen auch interne Konflikte, persönliche Sorgen und Verbesserungswünsche zur Sprache kommen. So wurden bereits mehrere hundert Personen dabei unterstützt, unangenehme Themen anzusprechen und aktiv auf Probleme hinzuweisen. Auch das Kommunikationsmodul im Rahmen der Fortbildung zur/zum Tierschutzbeauftragte:n an der Akademie für Tierärztliche Fortbildung wird seit 2017 von Vereinsmitgliedern gestaltet. Zudem wirkt der Verein auf fachliche Netzwerke, die sich dem Wohlergehen von Versuchstieren widmen. So sind Ehrenamtliche z.B. im Bundesnetzwerk 3R mit Vorträgen und Workshops aktiv, und die renommierte Tagung des europäischen versuchstierkundlichen Fachverbandes FELASA hat eine Session zu Fehlerkulturen ins Programm aufgenommen, die von einem der Vorsitzenden des Vereins geleitet wird.

Es hat sich also schon viel getan. Wir wollen mit unserem ehrenamtlichen Einsatz der gesellschaftlichen Verantwortung von Wissenschaft gerecht werden, unnötige Polarisierungen abbauen, produktiven Streit fördern, und im Kleinen und Großen Veränderungen anstoßen. Denn nur so können wir unsere Versuchstiere nachhaltig schützen – und das sind wir ihnen schuldig.

 

Dieser Text wurde unter der freien Lizenz CC0 (Public Domain) veröffentlicht. Er kann somit beliebig verändert und weiterverwendet werden. Die Bilder wurden unter der Lizenz CC BY-SA 4.0 veröffentlicht. Sie können unter gleicher Lizenz unverändert weiterverwendet werden, sofern als Urheber Pro-Test Deutschland e.V. genannt wird.