Sind wir wirklich so spannend?
Wahrscheinlich nicht. Aber weil wir stellvertretend für den Rest der Gesellschaft Forschung betreiben, sollten wir trotzdem zeigen, wer wir eigentlich sind, und wie wir ticken.
Auf dieser Seite wollen wir Euch deshalb einen persönlichen Eindruck davon geben, wie unsere Mitglieder zu Tierversuchen gekommen sind, und wie sie darüber denken. Dabei geht es jedem ein wenig anders – und es ist wichtig, unterschiedliche Sichtweisen sichtbar zu machen.
Bei 85 Mitgliedern wird es sicher eine Weile dauern, bis hier alle Profile stehen… aber wir arbeiten daran, und werden immer wieder mal einen Text ergänzen. (: Natürlich muss sich hier auch niemand outen, bloß weil sie oder er sich in unserem Verein engagiert – alles kann, nichts muss. Willst Du auch hier stehen? Dann melde Dich gern.
Laura Gobbers, Tierpflegerin
Ich kann es keinem verübeln, der bei dem Beruf Tierpfleger als erstes an den Zootierpfleger denkt. Und ich kann es auch keinem verübeln, der bei der Antwort erstmal schluckt. Im Laufe so eines Gesprächs werde ich oft gefragt: „Kannst du denn Nachts überhaupt mit gutem Gewissen schlafen?“, oder: „Kannst du morgens noch beruhigt in den Spiegel blicken?“. Diese Fragen erinnern mich immer an den Beginn meiner Ausbildungszeit. Als ich meiner Familie erzählt habe, dass ich eine Ausbildung zum Tierpfleger in einem Labor machen werde, war die erste Reaktion: „Kannst du das denn überhaupt?“ Ich habe mich das selbst lange gefragt, da ich Tiere einfach liebe und selbst nicht ohne Haustiere leben möchte. Ich lag vor Beginn meiner Ausbildung nächtelang wach, habe nach brauchbaren Informationen über Versuchstiere gesucht und mich wieder und wieder gefragt: „Kannst du das?“
Jetzt – 7 Jahre später – habe ich darauf eine klare Antwort: JA!
Ja, ich kann nachts ruhig schlafen und morgens in den Spiegel schauen, weil ich meine Arbeit gewissenhaft erledige und dafür sorge, dass es den Tieren gut geht. Ja, weil ich weiß, dass Arbeit mit Tieren immer verantwortungsvoll erledigt werden muss und ich dafür auch am Wochenende und an Feiertagen aufstehe, und das gerne. Ja, weil ich weiß, dass es notwendig ist. Hätten wir in den letzten Jahrzenten keine Tierversuche gehabt, dann wären wir nicht auf unserem heutigen Wissensstand. Es würden vermutlich immer noch (mehr) Leute an AIDS und Grippe sterben. Dank den Tierversuchen in den letzten Jahrzenten ist die Sterberate aber deutlich zurückgegangen, und Menschen mit AIDS können ein ganz normales Leben führen.
Und trotz all den Versuchen in den Jahren wissen wir noch lange nicht alles. Es gibt viele Krankheiten, deren Ursprung unbekannt ist und die kaum bis gar nicht behandelt werden können. Wenn ich morgens in den Spiegel schaue, habe ich oft meine Alzheimer-kranke Oma vor Augen, die mich ansieht und nicht mehr weiß, wer ich bin. Das tut weh. Das ist hart. Und ich möchte nicht, dass ich mich selbst später vielleicht nicht mehr an meine eigenen Kinder erinnern kann, oder meine Kinder an ihre Kinder. Dank der Forschung mit an Alzheimer erkrankten Mäusen können wir die Krankheit immer mehr aufschlüsseln, um sie irgendwann komplett zu verstehen und eine Therapie zu entwickeln.
Sterben Tiere dafür? Ja, und auch das muss deutlich gesagt werden. Aber ich sorge dafür, dass die Tiere ein gutes Leben haben, in dem es ihnen an nichts mangelt, und wenn sie sterben müssen, sorge ich dafür, dass es so schonend wie möglich geschieht. Man wird schließlich Tierpfleger, weil man Tiere mag. Das ist auch einer der Gründe, weshalb ich voll und ganz hinter der Idee stehe, Tierversuche durch Alternativen zu ersetzen (auch wenn das heißt, dass ich meinen Job verliere). Aber leider ist dies noch nicht mit allen Versuchen möglich, da Vieles nur am lebenden Tier funktioniert.
Wissenschaftsinitiativen wie Pro-Test sind wichtig, wir müssen offen über Tierversuche reden, damit den Menschen die Scheu vor dem Thema genommen wird. Wir müssen besser aufklären, damit Außenstehende es vielleicht verstehen.
Florian Alexander Dehmelt, Neurowissenschaftler
Ich töte Tiere – stellvertretend für den Rest der Gesellschaft. Meine Hoffnungen und Zweifel, Gutes und Schlechtes… immer wieder habe ich mir gedacht: „Das müsste doch mal jemand offen ansprechen.“ Und dann gemerkt: Das kann ich selbst.
(Vollständiges Profil folgt… schaut Euch solange doch mal die anderen hier an! Die haben schon viel mehr geschrieben.)
Ann-Charlott Schneider, Doktorandin
Ich liebe Tiere. Und deshalb ist es mir unangenehm, gar peinlich, direkt zuzugeben, dass ich Tierversuche durchführe. Denn meist wird man mit ungläubigen Blicken bedacht und wird in den Augen der Zuhörer direkt zum Tierquäler und schlechten Menschen. Und ich verstehe, warum. Wenn ich die Bilder und Berichte der Aktivisten gegen Tierversuche sehe, möchte ich auch direkt loslaufen und die Tiere retten.
Was übersehen wird, ist die Tatsache, dass ich mich ganz aktiv mit der Frage, ob Tierversuche sein müssen, auseinandersetze. Es wird übersehen, dass ich, bevor ein Versuch losgeht, die Mäuse einige Tage an mich gewöhne, damit sie nicht gestresst sind oder Angst vor mir haben, wenn ich sie hochhebe. Oder dass ich, lange bevor ein Versuch losgeht, sehr viel Zeit in die Planung investiere, um zu verhinder, dass Tiere umsonst benutzt werden. Man denkt nicht darüber nach, dass ich, wenn Experimente laufen, jeden Tag im Tierstall stehe und nach meinen Mäusen sehe, in den heißen Phasen auch am Wochenende. Dass die Hornhauttransplantationen, die ich an den Mäusen durchführe, in sterilsten Bedingungen durchgeführt werden, die Mäuse mit reichlich Schmerzmittel versorgt werden, oder dass ich erstmal 2 Monate meines PhDs mit Trockenübungen verbracht habe, um die Methode richtig zu lernen, bevor ich an lebende Mäuse herangegangen bin. Gerade dass mir das Wohl der Tiere am Herzen liegt, steht für Tierversuchsgegner im Kontrast zu dem Bild des gemeinen, hartherzigen Forschers, zu dem sie mich bereits abgestempelt haben.
Vor Kurzem hörte ich auf einer großen Konferenz einen Vortrag speziell zu dem Thema, dass die Gesellschaft ihre Informationen über Tierversuche von Organisationen bekommt, die vehement gegen diese sind und oft einfache Fakten ignorieren. Das hat mir zu denken gegeben und mich motiviert, mehr über Tierversuche zu reden und diese den Menschen, die nicht damit zu tun haben, näher zu bringen. Ich möchte mich nicht für die Arbeit, die ich mache, schämen, denn diese wird einmal Menschen die Lebensqualität verbessern.
Auch ich bin gegen unnötige Tierversuche. Ich finde, dass Regeln, Ausschlusskriterien und Ethikanträge (die gestellt werden müssen, um überhaupt Tierversuche durchführen zu können) hart geprüft werden müssen, und das jedes Jahr aufs Neue, damit Forschungsfortschritte im Bereich der Alternativmethoden mit einbezogen werden können. Auch sollten immer erst komplementäre alternative Methoden verwendet werden, wo es möglich ist. Und wenn es nicht möglich ist, wie es momentan leider noch oft der Fall ist, muss alles daran gesetzt werden, die Tierzahl so gering wie möglich zu halten und die Haltungsbedingungen so angenehm wie möglich zu gestalten. Denn wir tun dies nicht aus Spaß, sondern aus unserer Pflicht, kranken Menschen zu helfen.
Meine Forschung kann nicht komplett in der Plastikschale stattfinden. Ich bin darauf angewiesen, dass ein ganzer Organismus auf das Hornhauttransplantat reagieren kann, sonst sehe ich nicht das gesamte Bild. Und es fällt mir schwer, und das finde ich auch gut so. Das Leben der Mäuse sollte mir wichtig sein und deswegen muss es mir auch schwerfallen! So verhindere ich, dass die Tiere zu Gebrauchsgegenständen werden, denn das sind sie nicht, sondern ich schätze sie als Lebewesen wert. Ich hoffe, mit meiner Arbeit das Überleben von Hornhauttransplantaten zu verbessern und so den Tierversuchen auch einen Wert zu geben.
Marie Bellet, Doktorandin
Dass Tiere nicht leiden, ist falsch. Zwar wissen wir nicht, wie sie empfinden, aber etwas empfinden sie. Sie haben Ängste, wenn sie aus ihrer Umgebung gerissen werden und zum Schlachthof drängen, während die Rufe ihrer Artgenossen das letzte ist, was sie hören. Tiere spüren Schmerzen, und es kann Schmerzen verursachen, sich gegenseitig zu treten und zu beißen, weil kein Platz da ist; oder auf einem Gitterboden zu leben, weil das hygienischer ist; oder im CO2 zu ersticken.
Es macht mich traurig, dass in Deutschland jedes Jahr über 750 Millionen Tiere sterben für den Appetit von 80 Millionen Menschen – 80 Millionen Menschen, die die Wahl hätten, so vieles anderes zu essen, aber für die ein paniertes Schnitzel nichts vom Tod erzählt.
Wir nehmen uns als Menschen das Recht, zu entscheiden, wofür ein Tier zu leben hat, wie es zu leben hat und wann es sterben muss. Ich finde, dass das in gewisser Weise überheblich ist. Zur Ernährung sterben Tiere für einen Moment. Ein Moment, der beim nächsten Hunger wie für umsonst erscheint. Seit ich das in Erwägung ziehe, kann ich kein Tier mehr essen.
Warum erzähle ich das? Weil es der Hauptgrund ist, warum ich über Tierversuche nachgedacht habe. Es ist ein tiefer Widerspruch, den Tod von Tieren zur Ernährung abzulehnen, zu Forschungszwecken aber zu unterstützen. Denn ich sage nicht, dass Tiere in Laboren nicht auch zum Teil leiden: Labormäuse, die oft nichts Besseres zu tun haben, als im Kreis zu laufen oder Kaninchen, die keinen Hakensprung machen können… Und dann gibt es noch die Tiere, die als Modell für eine Krankheit dienen. Wir müssen bedenken, dass es einer Maus mit Lungentumor oder einer Ratte mit Parkinson genauso schlecht gehen kann wie einem Menschen mit dieser Erkrankung. Es wäre ebenfalls überheblich, dies zu verneinen. Nur wenn wir die Leidensfähigkeit der Tiere eingestehen und – obwohl wir es nicht wissen – der des Menschen gleichsetzen, können wir versuchen, sie zu verringern.
Menschen haben das bereits getan. Es gibt nun Zellstoff in den Mäusekäfigen, damit sie ihrem Nestbau-Verhalten nachgehen können, und Kaninchen haben einen Unterschlupf, weil es in ihrer Natur liegt, sich tagsüber im Bau zu verstecken oder in erhöhter Position die Umgebung zu bewachen. Aber warum Tiere überhaupt so leben lassen? Muss der Mensch das tun?
Ich habe lange darüber nachgedacht und meine Antwort kann leider nur ja lauten. Ja wir haben die Pflicht, an Tieren zu forschen. Ich bin traurig darüber. Aber noch trauriger als die Lebensbedingungen der Labortiere macht mich das Leiden unzähliger Menschen, die auch heute noch an Krankheiten leiden und sterben müssen, für die es Heilmittel gibt, die wir nur noch nicht gefunden haben. Meine Oma, die mit Mitte dreißig an Krebs starb oder meine Freundin, die unter einer sogenannten schweren psychischen Erkrankung leidet: sie und andere verpflichten uns, die es können, nach Lösungen zu suchen. Ich sehe es als meine Pflicht, meinen Mitmenschen gegenüber, zu forschen und hoffentlich dazu beizutragen, Krankheiten in Zukunft heilen zu können. Ich möchte, dass kein Mensch leiden muss.
Deshalb muss ich ja zu Tierversuchen sagen. Diese Entscheidung widerstrebt mir tief im Innern, aber sie ist unumgänglich. Und weil mir die Entscheidung selbst schwerfällt, bin ich Mitglied bei Pro-Test Deutschland. Ich möchte mit euch, denen es vielleicht genauso geht, darüber sprechen, wie wir bestmöglich mit der Tatsache umgehen, dass wir weiter an Tieren forschen müssen.
Emma Pietsch, Infektionsbiologin
Note: Eines darf man auch nicht unerwähnt lassen: Nur weil ein Forschungsansatz ohne Tierversuche auskommt, heißt das nicht automatisch, dass Tiere nicht leiden. Auch ich war in meiner tierversuchsfreien Doktorarbeit auf alle möglichen tierischen Produkte angewiesen, z.B. Antikörper oder Seren für die Zellkultur. Aber das ist eine andere Baustelle.